Gewaltfreie Kommunikation
Worte können weh tun. Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation zielt darauf ab, dass Menschen wertschätzend miteinander kommunizieren.
Was dahinter steckt, erklärt Melanie Bieber – Trainerin, Führungskraft mit Personalverantwortung für 50 Mitarbeitende und Vorsitzende des Fachverbands Gewaltfreie Kommunikation.
Was ist der Kern der Gewaltfreien Kommunikation?
Die Frage ist immer: Wie kann das Miteinander besser laufen? Ganz oft wird in der Arbeitswelt nur auf Strategieebene diskutiert. Es geht sofort um Lösungen, ohne zu gucken, was den anderen eigentlich antreibt. Wenn wir verstehen, was hinter einem Problem steckt, also die Bedürfnisse erkennen, entsteht automatisch mehr gegenseitiges Verständnis und die Beziehung profitiert davon.
Wie funktioniert Gewaltfreie Kommunikation idealerweise?
Gewaltfreie Kommunikation umfasst immer vier Stufen: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. Am Anfang fasst man ohne Wertung seine Beobachtung zusammen, dann äußert man das eigene Gefühl dazu. Danach wird das eigene Bedürfnis formuliert und erst am Schluss folgt die Bitte.
Haben Sie ein Beispiel?
Nehmen wir an, wir sind verabredet und Sie kommen eine Viertelstunde zu spät. Ich würde sagen: "Wissen Sie, ich warte jetzt seit 15 Minuten. Ich bin frustriert, denn ich möchte meine Zeit gerne effizient nutzen."
Klingt das nicht etwas zaghaft? Wenn ich 15 Minuten gewartet habe, bin ich sauer.
Nein, das würde ich so nicht sagen. Gewaltfreie Kommunikation ist nicht nett, sondern sehr klar. Was würden Sie mir denn antworten?
Ich würde mich entschuldigen und sagen, dass ich im Stau gestanden habe.
Wichtig ist, ob mein Gegenüber mein Anliegen versteht. Wenn Sie von Stau reden, habe ich noch keine Reaktion auf mein Gefühl der Frustration und das Bedürfnis nach Effizienz gehört. Ich würde also insistieren und sagen: Ich möchte gerne wissen, wie es Ihnen jetzt geht, wo Sie wissen, wie ich mich fühle. Sind Sie bereit mir das zu sagen? Die Bitte am Ende ist entscheidend.
Jetzt fühle ich mich gegrillt. Wie geht’s weiter?
Jetzt braucht es Empathie. Wichtig ist, dass beide Seiten das Anliegen der anderen Partei verstehen und sich auch selbst verstanden fühlen. Erst danach kommt meine lösungsorientierte Bitte. Man könnte dann zum Beispiel klären, ob wir vereinbaren, sich beim nächsten Mal bei einer Verspätung kurz zu melden.
Was bringt es, das eigene Empfinden stärker zu thematisieren?
Wenn die emotionale Ebene mehr Raum einnimmt, braucht es später weniger Zeit für die sachliche Lösung. Denn wenn wir ein gutes Miteinander haben, funktioniert die Lösung fast von allein.
Ich appelliere immer an Führungskräfte, mehr Zeit in die Beziehungsebene zu investieren. So lassen sich Konflikte verhindern und wenn sie einmal da sind, schneller klären.
Was ist für Sie das Schwierige an Gewaltfreier Kommunikation?
Wir alle haben gelernt zu bewerten. Wir werden wütend, wenn wir denken, dass jemand unpünktlich ist, und sind schnell in der Bewertung: Der kommt immer zu spät, der nervt. Solche Bewertungen tragen nicht zum Miteinander bei.
Das Konzept verlangt viel Offenheit. Wie klappt das im Unternehmensalltag?
Viele Menschen sind es nicht gewohnt, offen über Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Wir brauchen viel Mut, um uns zu öffnen, denn damit zeigen wir uns verletzlich. Nicht jeder möchte sagen, dass er frustriert oder traurig ist oder dass er abends weint.
Was traue ich mich zu sagen und wie weit möchte ich mich in meinem beruflichen Umfeld öffnen? Das sind wichtige Fragen. Dazu kommt: Ich brauche Klarheit über meine eigenen Bedürfnisse und Gefühle und das ist manchmal gar nicht so leicht.
In der Theorie ist die Gewaltfreie Kommunikation ein sehr einfaches Modell, in der Umsetzung ist es jedoch anspruchsvoll. Aber es lohnt sich trotzdem.
In manchen Teams knallt es ständig. Lässt sich mit Gewaltfreier Kommunikation noch etwas retten?
Wenn Menschen nicht mehr bereit sind, das Gespräch zu suchen und für ihre Belange einzutreten, wird es schwierig. Solange man diesen Punkt nicht erreicht hat, gibt es auch einen Weg. Mit Gewaltfreier Kommunikation lässt sich viel schaffen.