Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Sexuelle Belästigung hat viele Gesichter und sie kommt überall vor. Arbeitgeber sollten sich für ein respektvolles Miteinander stark machen und Tätern die rote Karte zeigen. Wie Sie sensibel, aber auch konsequent reagieren, erklärt Sibylle Ruschmeier vom Frauen-Notruf in Hamburg.
Von sexistischen Witzen über das Hinterherpfeifen oder Anstarren bis hin zu unerwünschten Berührungen und sogar Vergewaltigungen: Sexuelle Gewalt gibt es in vielen Facetten. Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, Betroffene zu schützen. Unter sexuelle Belästigung fallen aus arbeitsrechtlicher Sicht körperliche Gewalt, aber auch verbale Attacken wie sexistische Sprüche und nonverbale Übergriffe wie herabwürdigende Gesten. So sieht es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor.
"Entscheidend ist das Gefühl der Betroffenen. Sie bestimmen, an welchem Punkt die Grenze überschritten ist", erklärt Sibylle Ruschmeier vom Frauen-Notruf in Hamburg, einer Beratungsstelle für Opfer sexualisierter Gewalt. Ihrer Erfahrung nach gibt es sexuelle Gewalt überall. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat 2015 in einer Untersuchung herausgefunden, dass mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland sexuell belästigt wurden oder Zeuge einer solchen Tat wurden.
Betroffene entscheiden, wann die Grenze überschritten ist.
Sexuelle Belästigung richtet jede Menge Schaden an – in erster Linie natürlich für die Betroffenen, aber auch für das Unternehmen insgesamt. Sie vergiftet das Betriebsklima, Betroffene werden krank und bleiben der Arbeit fern. Wie Sie Beschäftigte im Ernstfall schützen, definiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Grundsätzlich gilt: Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass Belästigungen aufhören. Jeder Betrieb ist verpflichtet eine Beschwerdestelle einzurichten, an die sich Betroffene wenden können. Das gilt auch für Kleinstbetriebe. Die Ausgestaltung der Stelle und des Beschwerdeverfahrens sind grundsätzlich Ihnen überlassen.
Was Arbeitgeber bei einer Beschwerde tun müssen
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Arbeitgeber müssen grundsätzlich jeder Beschwerde nachgehen.
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Sichern Sie Betroffenen Vertraulichkeit zu, nehmen Sie die Vorwürfe ernst. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers dafür zu sorgen, dass die Belästigung in Zukunft unterbleibt.
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Am besten dokumentieren die Betroffenen den Vorfall präzise mit Ort, Datum und dem genauen Geschehen. Mails oder Nachrichten des Täters können als Beweismittel dienen.
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Nach einer Beschwerde sollte immer ein Personalgespräch mit dem Beschuldigten folgen, um den Sachverhalt zu klären. Bestätigt sich der Vorwurf, sind verschiedene Maßnahmen denkbar. Sanktionen reichen von Abmahnungen und Umsetzungen über Versetzungen bis zur Kündigung. Der Arbeitgeber entscheidet je nach Schwere des Vorfalls, was sinnvoll und verhältnismäßig ist. Eine eindeutige Bemessungsgrundlage gibt es aber nicht.
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In der Regel bestreitet die beschuldigte Person die Vorwürfe. Auch wenn sich die Vorwürfe nicht aufklären lassen, haben Sie als Vorgesetzte Verantwortung. Ziehen Sie im Zweifel externe Profis hinzu wie Antidiskriminierungsstellen, Frauen-Notrufe oder auch Juristen.
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Für den Fall, dass der Arbeitgeber nichts unternimmt oder die Maßnahmen nicht wirken, sieht das Gesetz das Leistungsverweigerungsrecht vor. Betroffene können der Arbeit fernbleiben, um sich vor weiteren Attacken zu schützen. Sie haben dabei Anspruch auf das volle Gehalt.
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Die Schutzpflicht des Arbeitgebers gilt auch dann, wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel von einem Kunden oder Geschäftspartner belästigt wird. Im schlimmsten Fall muss die Geschäftsbeziehung in solchen Fällen beendet werden.
"Vorbeugen lässt sich, indem sexuelle Gewalt auf die Agenda kommt", rät Sibylle Ruschmeier. Auch dann, wenn anscheinend alles gut läuft. Der beste Schutz ist eine Sensibilität für das Thema: Verteilen Sie Informationsbroschüren, machen Sie Beratungsstellen bekannt, führen Sie Schulungen zum Thema durch: "Es geht darum, dass man miteinander ins Gespräch kommt: Wie ist der Umgang miteinander? Geht es allen gut damit? Was ist eigentlich Sexismus? Für einen respektvollen Umgang der Geschlechter sollte sich die Unternehmensleitung klar positionieren. Im besten Fall kommt es dann erst gar nicht zu Belästigungen."
Kontaktadressen für Betroffene und Arbeitgeber
- Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verfügt über ein eigenes Beratungsteam und vermittelt zu Beratungsstellen vor Ort.
- Auf den Webseiten des Bundesverbands der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland sind ebenfalls Adressen von Beratungsstellen verzeichnet. Hier gibt’s auch Infos zu "make it work" – einer Initiative für eine Arbeitskultur ohne sexuelle Diskriminierung, Belästigung und Gewalt.
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