Home Office
Die Coronakrise bringt auch einen Massentest für die moderne
Arbeitswelt. Welche Fallstricke lauern, welche Chancen bieten sich
und was bedeutet das für die Gesundheit?
Und dann ging es Mitte März auf einmal ganz schnell. Während Busfahrer, Ärztinnen und Krankenpfleger, Supermarktangestellte und viele andere die Stellung hielten, verschwanden buchstäblich über Nacht Abertausende von Büroarbeitenden aus ihren Büros und fanden sich am Küchentisch oder im Arbeitszimmer wieder. Die Bilanz nach drei Monaten: Nicht nur das Gesundheitssystem und die Wirtschaft mussten den Stresstest bestehen, auch die Arbeitsplatzkultur wurde durcheinandergewirbelt.
Zwar ist der Anteil der Menschen, die von zu Hause arbeiten können, in den letzten Jahren gestiegen, doch hat sich das Modell insgesamt langsam entwickelt. Dabei hatte niemand versucht, den Trend aufzuhalten. Im Gegenteil. Auch Betriebsräte befürworten die Digitalisierung der Arbeitswelt. Mehr als acht von zehn Arbeitnehmervertretern bewerten die Auswirkungen der Digitalisierung positiv, so die Ergebnisse einer Befragung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im Jahr 2016.
Das Virus SARS-CoV-2 treibt das Thema nach vorn.
In den vergangenen Monaten hat jeder fünfte Erwerbstätige im Land wegen Corona den Umzug ins Homeoffice absolviert, so eine Onlineumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von Ende März. Drei von zehn Heimarbeitern hatten zuvor noch nie mit dem Laptop am Küchentisch gesessen.
Mobiles Arbeiten – für viele heißt das: In keine überfüllte S-Bahn steigen, nicht mehr stundenlang im Stau stehen, sondern erst einmal Kaffee kochen, den Laptop aufklappen und ohne Dresscode losarbeiten. Andere empfinden es als Stress pur. Wann schließt so ein Homeoffice eigentlich? Was glauben Vorgesetzte und Kollegen, was ich zu Hause den Tag über mache? Was genau erwartet die Chefin?
Bei Tausenden Angestellten, die derzeit im Homeoffice arbeiten, setzt allmählich Stress ein. Wie immer das Experiment ausgeht, das Virus habe die mobile Arbeit salonfähig gemacht, meint Zukunftsforscher Peter Wippermann.
Die Vorteile liegen auf der Hand
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Für Pendler entfällt das Hin-und-her-Fahren
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Mitarbeiter sind produktiver und seltener krank, wie Studien zeigen
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Arbeitgeber können Büroflächen reduzieren
Wie gelingt gutes, produktives Arbeiten zu Hause auf Dauer?
Die Umgebung macht's
Damit sich Berufliches und Privates nicht so sehr vermischen kann, muss eine Arbeitsecke her, der man zum Feierabend den Rücken zukehrt. Egal wie klein die Wohnung ist, eine optische Trennung ist wichtig; es kann ein Paravent sein oder ein anderer Sichtschutz. Eine klare räumliche Aufteilung zwischen Jobbereich und dem Rest der Wohnung helfe, die Trennung leichter zu leben, sagt Zeitmanagementexpertin Cordula Nussbaum.
Die Macht der Rituale
Wer morgens vor der Arbeit gejoggt ist, sollte es auch vor dem Homeoffice machen. Wer um 8.30 Uhr im Büro gewesen ist, klappt den Laptop auch um diese Zeit auf. Expertin Nussbaum rät, für sich selbst feste Arbeitszeiten zu planen und im Team gemeinsame Kernzeiten zu bestimmen, in denen jeder am Arbeitsplatz ist. Das gelte genauso für den persönlichen Arbeitsschluss, um nicht in die Open-End-Falle zu tappen. „Wenn wir wissen, dass wir abends eh nichts vorhaben, sind wir im Laufe des Tages anfälliger für Störungen.“ Ohnehin sind Heimarbeiter prädestiniert für Überstunden. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) leisten Beschäftigte im Homeoffice wöchentlich 5,6 Überstunden, während ihre Kollegen im Büro auf 2,9 Stunden kommen.
An den Rücken denken
Was in einem Notfalloffice zu Hause nicht an erster Stelle steht, sollte bei der Dauerlösung jedoch bedacht werden: Ein Schreibtisch, ein vernünftiger Arbeitsstuhl und eine gute Lampe sind unabdingbar. Ein Laptop ist gut, besser ist es, vor einem großen Bildschirm zu sitzen und mit einer Maus zu arbeiten.
Nicht nur Arbeitnehmer stellen sich um, auch Firmen bieten sich neue Chancen.
Etwa jeder dritte Arbeitsplatz könne ins Homeoffice verlagert werden, schätzen Arbeitsexperten. Trendforscher Peter Wippermann sagt, die Kurve könne weiter nach oben gehen. Die Rationalisierungsformel ist einfach: Weniger Bürofläche spart Miete, Heizung und Infrastruktur – gewichtige betriebswirtschaftliche Argumente für die mobile Arbeit. Wenn alle im Homeoffice sind, kommt auch auf Chefs viel Neues zu. Sich mal eben im Büro etwas zurufen geht ja nicht, ebenso wenig wie die Erinnerung beim Kaffee, dass morgen der Abgabetermin ist.
Im Homeoffice greifen erprobte Führungsmethoden nicht mehr. Deshalb sei gute Kommunikation das Wichtigste, wenn Teams räumlich getrennt arbeiten, sagt Franziska Stiegler, Psychologin und Gesundheitsexpertin beim BKK Dachverband. "Was gute Führung ausmacht – zugänglich sein, klar kommunizieren, Ziele setzen –, ist auch hier von Bedeutung." Den Wegfall der direkten Kommunikation sollten Chefs durch Videokonferenzen und persönliche Telefonate kompensieren.
Auch wenn Homeoffice nach großer Freiheit klingt
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Nicht jeder ist dafür gemacht. Was, wenn das Arbeiten zu Hause nicht so gelingt wie erhofft, trotz der vielen Tipps? Dann geht es nach dem Ende der Coronakrise zurück ins Büro. Das kann je nach Typ auf Dauer die bessere Lösung sein.
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