Erreichbarkeit im Job
Hand auf's Herz: Melden Sie sich nach Feierabend bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Und wie oft kommt das vor? Psychologen warnen: Wenn Arbeit und Privates verwischen, fehlen Beschäftigten wichtige Erholungsphasen. Mit klaren Absprachen verschaffen Sie Ihrem Team dringend notwendige Pausen und sorgen für die notwendige Abstimmung im Ernstfall.
Ständige Erreichbarkeit für den Job sorgt bei vielen Menschen für Stress, so das wenig überraschende Urteil vieler Studien. Gerade jetzt, wo durch die Corona-Krise ganze Belegschaften den Laptop auf dem heimischen Küchentisch aufstellen, nimmt das Thema Fahrt auf: "Wir gehen davon aus, dass viele Mitarbeiter zunehmend unter der Erreichbarkeit leiden. Das muss nicht mal böse Absicht sein. Wenn in einem Betrieb sehr flexibel gearbeitet wird, wissen Kollegen und Vorgesetzte oftmals nicht, wer wann Feierabend macht und stören dann unbeabsichtigt in der Freizeit", erklärt Psychologe Eberhard Thörel von der Universität Freiburg.
Ganz oft nehmen Beschäftigte viel höhere Erwartungen wahr als tatsächlich existieren.
In vielen Betrieben hat mit dem flexiblen Arbeiten eine Always-on-Mentalität Einzug gehalten, allein weil es keine Regeln gibt. Soll die E-Mail des Kollegen von Montagabend beantwortet werden oder hat das bis Dienstag Zeit? Und was ist mit der SMS, die der Chef am Samstag schickt? "Ganz oft nehmen Beschäftigte viel höhere Erwartungen wahr als tatsächlich existieren. Deshalb ist es so wichtig, das Thema anzugehen", sagt Eberhard Thörel. Aber: Der Bedarf an Abstimmung ist sehr unterschiedlich, je nach Branche, Unternehmen und Abteilung. Einheitliche Regeln funktionieren nicht, der Pflegedienst hat andere Anforderungen als der internationale Automobil-Hersteller.
Wie Führungskräfte das Thema Erreichbarkeit auf die Agenda setzen
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Handlungsbedarf feststellen
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Was sind unsere Aufgaben? Wie schnell muss welche Abteilung außerhalb der Kernarbeitszeit handlungsfähig sein? Welche Notfälle können auftreten? Wie viele Mitarbeiter stehen zur Verfügung? In kleinen Unternehmen reicht es aus, sich dazu zusammenzusetzen oder in Mitarbeitergesprächen nachzufragen. Für größere Betriebe eignen sich Mitarbeiterbefragungen oder auch Betriebsversammlungen.
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Konzept entwickeln
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Auf Basis des Handlungsbedarfs werden Erreichbarkeiten, Antwortzeiten und Kommunikationskanäle vereinbart. Welche Abteilungen müssen überhaupt nach Feierabend erreichbar sein? Wie schnell bekommen Kunden am Wochenende eine Antwort? Wie werden Überstunden außerhalb der Arbeitszeit ausgeglichen? Und ruft der Chef im Notfall an oder sollen Beschäftigte ihre Mails checken? Lösungen auf Teamebene sind sinnvoll, weil die Buchhaltung anders arbeitet als der Kundensupport.
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Beschäftigte schützen
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Vielen Mitarbeitern hilft es, offline zu gehen, um den Kopf frei zu bekommen. Sie können Push-Nachrichten ausstellen, lassen dienstliche Mails nicht automatisch synchronisieren oder das Diensthandy bleibt am Wochenende einfach im Büro. Kommen Sie mit Ihrem Team ins Gespräch, welche Instrumente für wen sinnvoll sind.
Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche erreichbar zu sein, ist ohnehin weder mit dem betrieblichen Gesundheitsschutz noch mit dem Arbeitszeitgesetz vereinbar. Wie flexibles Arbeiten funktionieren kann, damit haben sich schon viele Unternehmen beschäftigt. Oft muss das Rad nicht ganz neu erfunden werden.
Eine Übersicht liefert zum Beispiel das Bundesarbeitsministerium mit der Broschüre "Zeit- und ortsflexibles Arbeiten in Betrieben". Hier sind Praxisbeispiele versammelt – vom Malermeister über den mittelständischen Metallverarbeitungsbetrieb bis zum internationalen Softwarekonzern.
Ganz unabhängig aller Regelungen ist vor allem das Verhalten der Vorgesetzten entscheidend, sagt Eberhard Thörel:
Eine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist am Ende auch im Interesse des Arbeitgebers. Denn nur wer nach Dienstschluss abschalten kann, steht am nächsten Morgen auch wieder motiviert und fit im Büro, an der Werkbank oder im Laden.
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