Nein sagen lernen
Es gibt Führungskräfte, die trotz eines hohen Arbeitspensums mit ihrer Leistung unzufrieden sind. Ein möglicher Grund: zu wenig Fokus auf strategische Aufgaben. Wie Sie souverän und freundlich Nein sagen, um mehr Zeit für die wesentlichen Dinge zu haben – hier kommen die Tipps.
Da ist der Mitarbeiter, der ständig mit Lappalien im Chefbüro auftaucht, die Kundin, die einen Preisnachlass heraushandeln will, oder die Projektgruppe, die ohne Unterstützung der Leitung nicht vorankommt: Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen sind Führungskräfte ständig gefordert und operativ stark eingebunden.
Schwierig wird es, wenn sie nicht Nein sagen können: "Wer ständig Ja sagt, ist zwar permanent beschäftigt, verschiebt aber auch immer wieder die eigenen Prioritäten und wichtige strategische Aufgaben bleiben auf der Strecke. Viele meiner Klienten sagen, dass sie erst am Abend wirklich anfangen zu arbeiten, weil der Tag mit Meetings und operativen Aufgaben durchgetaktet ist", erklärt Michaela Rau.
Die systemische Business-Coachin aus Köln berät Fach- und Führungskräfte – und das Thema Abgrenzen begegnet ihr immer wieder: "Neben gesundheitlichen Aspekten ist es auch aus unternehmerischer Sicht wichtig, Nein sagen zu können. Denn wer den Fokus seiner Arbeit verliert, kann nicht mehr gut performen."
Souverän und freundlich Grenzen ziehen, das fällt vielen Menschen schwer. Michaela Rau unterstützt ihre Klienten dabei, herauszufinden, warum das so ist und wie sie Nein sagen lernen.
Nein sagen – so funktioniert es
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Über eigene Bedürfnisse klar werden
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Haben Sie wirklich Zeit an dem Meeting des Marketing-Teams teilzunehmen oder hat die Personalplanung Vorrang?
Treffen Sie Ihre Entscheidung, seien Sie klar und streichen Sie sprachliche Weichmacher wie "eigentlich" oder "ja, aber" aus Ihrem Kopf, denn sonst öffnen Sie wieder eine Tür.
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Absagen üben
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Wem es schwer fällt Nein zu sagen, übt vorm Spiegel, mit einem Freund oder Coach. Das mag vielen seltsam vorkommen, aber es hilft Souveränität zu gewinnen, auf die Körpersprache zu achten und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie eine Absage ankommt.
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Antworten vorbereiten
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Häufig neigen Mitarbeitende zu Überrumpelungen à la "Können Sie mal kurz…?" Bereiten Sie für solche Fälle Antwortmöglichkeiten vor, die Sie nur noch abrufen müssen: "Ich mache das hier gerade fertig. Ich komme gleich auf Sie zu." So behalten Sie die Konzentration.
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Zeit gewinnen
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Wenn jemand Sie um Unterstützung fragt, bitten Sie sich Bedenkzeit aus. Prüfen Sie anschließend, ob Sie Kapazitäten haben. Und wenn nicht, sagen Sie das höflich, aber bestimmt. Liefern Sie gerne eine Begründung, aber rechtfertigen Sie sich nicht.
Wenn Fachkräfte keine Kapazitäten für die Bitte von Chef oder Chefin haben, können sie schlecht ablehnen und dann lächelnd das Weite suchen. Sie sollten ihre Auslastung rückmelden, freie Zeitfenster später anbieten, anregen bei einem anderen Projekt die Deadline zu verlängern oder vorschlagen ein anderes Teammitglied an Bord zu holen.
Wichtig für Führungskräfte: Sie sollten die Grenzen von Mitarbeitenden respektieren und versuchen gemeinsam pragmatische Lösungen zu finden. Es gibt auch die anderen Fälle, wenn Mitarbeitende keine Grenzen ziehen können. Ein typisches Alarmzeichen ist, wenn jemand trotz Erkrankung zur Arbeit kommt. Dann haben Führungskräfte eine Fürsorgepflicht – und sollten die Person nach Hause schicken.
Die eigenen körperlichen und mentalen Grenzen wahrzunehmen ist ganz entscheidend, um mit seinen Kräften haushalten zu können. Michaela Rau sagt: "Ich glaube, die Fähigkeit sich abzugrenzen wird in Zukunft zur Kernkompetenz." Denn weil in Zeiten des Fachkräftemangels nicht alle Stellen besetzt werden können, müssen automatisch weniger mehr machen. "Ob Fach- oder Führungskraft: Jeder trägt Verantwortung für sein Leben und seine Gesundheit – beruflich wie privat."