Dürfen Firmen zum Impfen verpflichten?

Die Corona-Impfung ist freiwillig – daran wird bisher nicht gerüttelt. Unternehmen haben aber natürlich ein Interesse daran, dass ihre Beschäftigten gesund bleiben und Ausfälle wegen Krankheit vermieden werden. In welchen Fällen Sie Ihr Personal zur Impfung verpflichten können, erklärt Rechtsanwalt Thomas Reutemann aus Augsburg.

Die Impfkampagne ist inzwischen in voller Fahrt. Auch in Unternehmen ist die Schutzimpfung ein heißes Thema. Zwar infizieren sich derzeit nur sehr wenig Menschen, aber die Wissenschaft warnt wegen aggressiver neuer Varianten vor einer vierten Welle im Herbst. Viele Vorgesetzte machen sich deshalb Sorgen um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden. Und mehr noch: Sie haben eine Fürsorgepflicht für die gesamte Belegschaft und Verantwortung für die Kundin, den Patienten oder die Mandantin.

Experte und Anwalt Thomas Reutemann

Impfpflicht nur in wenigen Fällen

Können Betriebe die Schutzimpfung also anordnen? Grundsätzlich gilt: Die Entscheidung für oder gegen den Piks darf jeder und jede selbst treffen. Rechtsanwalt Thomas Reutemann erklärt: "Ob ein Unternehmen seine Belegschaft zur Impfung verpflichten darf, ist immer eine Einzelfall-Entscheidung. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Mitarbeitenden wird abgewogen mit dem Interesse des Arbeitnehmers, Belegschaft und Vertragspartner zu schützen."

Die Entscheidung ist also nicht für ein Unternehmen, sondern für den einzelnen Arbeitsplatz zu treffen. Bei Bürojobs werden Betriebe in der Regel zum Schluss kommen, dass die AHA-Regeln oder auch Homeoffice-Möglichkeiten ausreichend vor einer Infektion schützen. Wenn intensiver körperlicher Kontakt zur Arbeit dazugehört – wie in der Pflege oder bei medizinischen Berufen – kann die Entscheidung anders ausfallen:

"Wir haben bisher noch keine Urteile. Aber ich bin der Meinung, dass Beschäftigte in Krankenhäusern, Arztpraxen, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zur Impfung verpflichtet werden dürfen. Denn wenn sich alte oder kranke Menschen infizieren, bedeutet das in vielen Fällen Lebensgefahr."

Und was ist mit dem Erzieher, der Kosmetikerin, dem Busfahrer oder der Friseurin? „Stand jetzt gehe ich nicht davon aus, dass in diesen Berufen eine Impfpflicht durchsetzbar ist“, erklärt Arbeitsrechtsexperte Thomas Reutemann.

Welche Möglichkeiten haben Sie, wenn Beschäftigte die Impfung ablehnen, obwohl die Voraussetzungen nach einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung vorliegen? „In diesem Fall verliert der Beschäftigte seinen Vergütungsanspruch. Denn das Prinzip ist: ohne Arbeit kein Lohn. Wer sich nicht impfen lässt, kann seine vertragliche Verpflichtung nicht mehr erbringen.“

Im Einzelfall kann auch eine Kündigung gerechtfertigt sein. Weil die Kündigung das schärfste Schwert ist, gelten aber hohe Hürden. Sie müssen zum Beispiel prüfen, ob Impfmuffel auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden können.

Gute Argumente können Impfmuffel überzeugen

Grundsätzlich gilt: Halten Sie alle aktuellen Entwicklungen rund um die Pandemie gut im Blick. Die Wissenschaft liefert immer wieder neue Erkenntnisse, Virus-Varianten verändern das Infektionsgeschehen. Was heute gilt, kann schon morgen Schnee von gestern sein. Und deshalb kann sich auch die Bewertung zu Rechten und Pflichten in der Arbeitswelt innerhalb kürzester Zeit verändern.

Die Wissenschaft betont, dass Impfen essenziell ist im Kampf gegen die Pandemie. Nur der Piks ermöglicht dauerhaft die Rückkehr zu Normalität und Freiheit. Kommen Sie ins Gespräch mit Ihren Beschäftigten. Hinter Vorbehalten stecken oft Unsicherheit und Angst, weniger eine grundsätzliche Ablehnung. Mit guten Argumenten lassen sich zögernde Mitarbeitende vielleicht doch noch überzeugen.

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