Arbeitszeit
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssen Unternehmen künftig die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter genau protokollieren. Zu Themen wie vereinbarte Arbeitsdauer, Überstunden oder Überstundenvergütung haben sich die Richter zwar nicht geäußert. Durch die neue Aufzeichnungspflicht rücken diese aber jetzt in den Fokus.
Unternehmer sollten deshalb genau prüfen, was im Gesetz, in Tarif- und Arbeitsverträgen oder auch Betriebsvereinbarungen steht. „Denn was bei Mitarbeiter A als Überstunde verbucht wird, muss bei Kollege B nicht als Überstunde zählen“, erklärt Arbeitsrechtsanwalt Dr. Artur Kühnel.
- Laut Arbeitszeitgesetz müssen Arbeitnehmer nach sechs Stunden eine Pause machen, sie dürfen maximal 10 Stunden pro Tag arbeiten und haben dann ein Recht auf elf Stunden Ruhezeit. Wöchentlich darf im Durchschnitt nicht mehr als 48 Stunden gearbeitet werden. Richtig?
Ja. Diese Vorgaben stammen aus dem Arbeitszeitgesetz und dieses steckt das "Spielfeld" ab, auf dem sich ein Arbeitgeber bewegen darf. Dazu kommen aber auch Betriebsratsvereinbarungen, Arbeits- und/oder Tarifverträge, die ebenfalls Regeln zu Arbeits- und Ruhezeiten oder Pausen enthalten können. Wenn zum Beispiel eine Betriebsvereinbarung vorsieht, dass die Mitarbeiter maximal 42 Stunden wöchentlich arbeiten dürfen, dann gilt das. Und die maximal mögliche Arbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich aus dem Arbeitszeitgesetz spielt dann keine Rolle.
- Was bedeutet das Urteil aus Luxemburg für Unternehmer?
Die Aufzeichnung der Arbeitszeiten kann offenlegen, dass Beschäftigte mehr arbeiten als vereinbart ist und bezahlt wird. Dies kann dann die Aufmerksamkeit auf Fragen lenken wie: Wann wird eine Überstunde angeordnet? Was ist, wenn jemand freiwillig länger arbeitet? Werden Überstunden ausgeglichen? Diese Fragen sind aber nicht neu. Durch die Aufzeichnungspflicht verbessert sich die Datenlage und deshalb können sich die Konflikte rund um das Thema Arbeitszeit verschärfen. Denn wer seine Überstunden schwarz auf weiß hat, fordert für seinen Einsatz eher einen Ausgleich – im Zweifel auch vor Gericht.
Gerade für kleinere Betriebe ist es eine große Herausforderung der Aufzeichnungspflicht nachzukommen und dabei den Verwaltungsaufwand möglichst klein zu halten.
- Was raten Sie jetzt Unternehmern?
Zunächst sollten die Betriebe eine Bestandsaufnahme machen: Welche Mitarbeiter arbeiten wann? Dann ist zu prüfen, ob das den Vorgaben entspricht. Sind die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten? Gibt es einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung, die relevante Vorgaben enthält? An welcher Stelle kann es Konflikte geben? Wenn man anfängt, Arbeitszeiten aufzuzeichnen, muss man sich Gedanken darüber machen, was man aufzeichnet. Bei unreflektierter Handhabung dokumentieren die Unternehmen nämlich einfach nur Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz. Das muss gar nicht böswillig sein. Gerade kleinere Firmen sind mit ihrem betrieblichen Alltag oft ausgelastet. Der Regelungsbedarf kann je nach Betrieb sehr unterschiedlich sein. Deshalb funktioniert keine Checkliste. Jedes Unternehmen muss individuell prüfen (lassen), welche Spielregeln gelten und welchen Handlungsbedarf gerade dieses Unternehmen hat.
- Weil Auftragsbücher mal gut gefüllt, aber auch mal leer sind, wünschen sich gerade kleinere Unternehmen möglichst flexible Arbeitszeiten. Wie kann das künftig noch klappen?
Das geht auch künftig. Das Urteil des EuGH hat hieran nichts geändert. Was zum Beispiel als Überstunde gilt, hängt von der Regelung und vom betrachteten Zeitraum ab. Je länger man den Zeitraum zieht, umso flexibler können Sie als Arbeitgeber Plus- und Minusstunden anordnen. Bei einer vereinbarten Jahresarbeitszeit rechnen Sie erst am Jahresende die Stunden zusammen. So können Schwankungen bei den Aufträgen leichter abgefangen werden. Beispiel: Ein Mitarbeiter arbeitet in der einen Woche 38, in der anderen 42 Stunden. Wird die Arbeitszeit am Monatsende zusammengezählt, gleicht sich das aus. Wird hingegen nur wöchentlich gerechnet, könnten in der 42-Stunden-Woche Überstunden geltend gemacht werden.
- Wer entscheidet, ob Überstunden bezahlt oder abgebummelt werden?
Wenn Überstunden anfallen, müssen diese in der Regel ausgeglichen werden. Ausnahmen gelten zum Beispiel für Beschäftigte, die sehr hohe Einkommen haben – oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung. Für die Mehrheit der Arbeitnehmer muss aber ein Ausgleich her. Ob Überstunden vergütet werden oder durch Freizeit ausgeglichen werden – das ist meist im Arbeits- oder Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung festgehalten. Falls nicht, muss der Arbeitgeber die Überstunden vergüten. Im Arbeitsvertrag können Unternehmen aber auch regeln, dass ein bestimmter Umfang an Überstunden mit dem Grundgehalt abgegolten sein soll. Voraussetzung: der Arbeitgeber darf nicht gegen sonstiges Recht verstoßen. Zum Beispiel müssen die Regelungen zum Mindestlohn und zur maximalen Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz beachtet werden.
- Angenommen ein Mitarbeiter verstößt regelmäßig gegen die elfstündige Ruhepause, weil er am späten Abend noch E-Mails beantwortet, um den Nachmittag mit seinen Kindern zu verbringen. Mitarbeiter und Chef finden die Regelung aber gut. Wie ist das zu bewerten?
Die Vorschriften aus dem Arbeitszeitgesetz gelten – ob der Arbeitnehmer das will oder nicht. Ob das heute noch zeitgemäß ist, darüber lässt sich aber natürlich bestens diskutieren.
Arbeitszeit: Was Unternehmer beachten sollten
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Die Regelungen zur Arbeitszeit variieren von Betrieb zu Betrieb und können sogar bei jedem Mitarbeiter individuell geregelt sein. Prüfen Sie deshalb genau, was in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen steht.
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Spielen Sie mögliche Konfliktfälle durch, bevor Sie die Arbeitszeit-Dokumentation angehen.
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Wenn Sie große Auftragsschwankungen haben, bleiben Sie mit einer vereinbarten Jahresarbeitszeit flexibler. Die Arbeitsstunden werden dann erst am Jahresende zusammengezählt.
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Beachten Sie die Regelungen aus dem Arbeitszeitgesetz, sie sind nicht verhandelbar.